Sunday, June 18, 2017

Neues Wissen aus alten Steinen gewinnen - Stephanie Zihms ist jetzt bei Real Scientists DE!

Wir freuen uns, Dr. Stephanie Zihms (@geomechSteph) bei Real Scientists DE begrüßen zu dürfen! Stephanie arbeitet als Postdoc im Bereich Geomechanik von Karbonatgesteinen am Institute for Petroleum Engineering an der Heriot-Watt University, aber ist bis Ende August an der UFPE in Recife, Brasilien. Ihre Forschung beschäftigt sich damit, wie sich Gesteinen im Untergrund unter verschiedenen Druckveränderungen verformen.

Hier eine Beschreibung ihrer Arbeit in ihren eigenen Worten:

"Ich versuche zu verstehen, warum Gesteine sich so verformen, wie wir es beobachten und was diese Verformungen kontrolliert – Kristall- oder Korngröße, Kornform, Form oder Größe der Poren? Oder ist es doch die Mineralogie, oder wie das Gestein abgelagert wurde? Mit Laborversuchen an verschiedenen Gesteinen unter unterschiedlichen Bedingungen versuche ich das herauszufinden. Meine Forschung und ihre Ergebnisse sind wichtig für verschiedene Untergrundprozesse, z.B. Erdöl – oder Erdgasgewinnung, Geothermie oder CO2-Speicherung. Jedesmal, wenn Flüssigkeiten oder Gase aus dem Erdboden entnommen oder zugeführt werden, ändern sich die Bedingungen im Untergrund. Gesteine reagieren auf diese Veränderung, und wenn ich verstehe, welche Gesteinseigenschaften diese Reaktionen kontrollieren, dann können wir dieses Verhalten besser vorhersagen. Ich bin gerade in Brasilien, um meine Laborergebnisse mit Gesteinen in Steinbrüchen und Aufschlüssen zu vergleichen - damit wir auch wissen, ob unsere Laborversuche Sinn machen."
Super spannend also, und wir freuen uns auf eine großartige Woche! Natürlich haben wir Stephanie auch unseren üblichen Fragebogen gegeben:

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Ich bin da so reingepurzelt…ich wusste ewig nicht, was ich studieren soll, wie meine LKs in Physik und Geschichte zeigen. Meine Mama hatte dann Geowissenschaften in Hannover vorgeschlagen – viel draußen sein, etwas Reisen, von allen Naturwissenschaften etwas dabei, und vor allem kein NC – das klang super. Nach 3 Jahren Grundstudium bin ich dann nach Schottland – ursprünglich für 1 Jahr…aber Pläne ändern sich und ich bin da geblieben und habe dann 2007 meinen BSc in Earth Science von der University of Glasgow bekommen. Die Zeremonie in Glasgow war fast wie bei Harry Potter.

Ich habe dann ersteinmal als Geologin bei einer Geotechnikfirma in Schottland gearbeitet – war eine super Gelegenheit, Schottland noch besser kennenzulernen. Aber nach 2 Jahren kam die Lust auf mehr, und mit diesem Wunsch dann auch die finanzielle Krise in 2009 und meine Entlassung. Kurz bevor ich entlassen wurde, hatte ich eine Doktorandenstelle gesehen, die super spannend klang und nach einem Informationsgespräch habe ich mich auf die Stelle beworben. Bis ich die Zusage hatte, habe ich etwas gejobbt und z.B. Computerspiele getestet. Ich hab dann im September 2009 die ersehnte Zusage bekommen und im Oktober angefangen. Ich habe 3 Jahre und 10 Monate gebraucht und im August 2013 meine Doktorarbeit eingereicht. Und ich bin dann wieder aus der Akademie raus – aber nicht aus der Forschung  und habe beim British Geological Survey als Experimentelle Geowissenschaftlerin angefangen – eine unbefristete Stelle im Öffentlichen Dienst – Jackpot. Naja…es ist nicht immer alles Gold was glänzt und mir haben die Einschränkungen nicht so gefallen und ich konnte auch meine eigenen Ideen nicht richtig verfolgen. Also habe ich nach 15 Monaten meine Kündigung eingereicht und bin dann im Dezember 2014 von England wieder nach Schottland gezogen. Ich wollte wieder zurück an die Uni – hatte aber keine guten Stellen gesehen, und so sagte ich ja zu einer 4-monatigen Postdoc-Stelle an der Heriot-Watt University. Ich habe ein Experiment entworfen, um CO2 Blasen unter verschiedenen Strömungsbedingungen zu messen. Und während dieser Zeit habe ich dann auch das Angebot für meine jetzige Stelle entdeckt, mich beworben und auch bekommen. Ich habe im Mai 2015 im Insitute for Petroleum Engineering angefangen und habe jetzt noch 10 Monate, bis mein Vertrag endet. Ich habe mich auf ein paar verschiedene Stellen beworben – in Schottland und Deutschland. Mal schauen, was die Zukunft bringt…

In meinem Forschungsgebiet bin ich erst seit 2015 – aber was für ein Gebiet. Mit immer neuen Technologien lernen wir so viel mehr über Gesteine und wie sie sich verformen. Am besten finde ich es, wenn ich etwas entdecke, bei dem ich weiss, dass ich die erste Person bin, die es sieht. Die Gesteine, mit denen ich gerade arbeite, kommen aus Brasilien und sind berühmt für ihre Fischfossilien aus der Kreidezeit. Aber seit der letzten Edöl-Entdeckung in Brasilien werden sie als Vergleichsmaterial erforscht. Als wir unsere Proben mit Röntgenstrahlen untersucht haben, um die Bruchzonen zu analysieren, haben wir auch Spurfossilien entdeckt, die so noch nie in 3D abgebildet worden waren – diese Bilder mit den brasilianischen Paläontologen zu teilen, war super. Wir sinde gerade dabei, neue Techniken und ihre Nutzbarkeit in der Geomechanik zu testen. Es macht super viel Spass, quasi alt mit neu zu kombinieren und zu schauen, wie wir noch mehr Informationen aus den Gesteinen herausbekommen können. Und ich muss sagen, das viele Reisen macht auch super viel Spass – ich hätte nie gedacht, dass ich mal 3 Monate in Brasilien wohnen und arbeiten werde. 

Meine Arbeit ist eine Mischung aus
1.   Laborarbeit: ich bereite die Gesteinsproben vor, vermesse und fotografiere sie, danach werden ein paar Standardtest gemacht, um Porosität und Durchlässigkeit zu messen – das ist wichtig, um dies mit den Ergebnissen nach der Deformierung zu vergleichen. Die triaxiale Verformung mache ich mit einem Kollegen zusammen – das ist etwas langweilig, da alles in einer Edelstahlzelle passiert und wir nur die Daten sehen können. Nach diesem Test werden dann die Charakterisierungstests wiederholt. Ausgesuchte Proben gehen dann zu einem Kollegen an der Lund Universität in Schweden für die Röntgenaufnahmen.
2.  Datenanalyse: Ich vergleiche die Daten vor und nach dem Test und versuche, die Röntgenbilder zu rekonstruieren, um das Innere des Gesteins in 3D sehen zu können. Wenn möglich, haben wir auch eine Aufnahme, bevor das Gestein veformt wurde, um auch diese zu vergleichen
3.  Geländearbeit: Leider nicht so viel wie ich gerne hätte, aber ich war schon in Frankreich, um Proben zu sammeln und bin jetzt zum zweiten Mal in Brasilien, um hier Daten im Gelände zu sammeln. Das geht hauptsächlich über Fotos, die ich dann am Computer analysiere und mit den Laborfotos vergleiche.
4.  Schreiben: wie jeder andere Wissenschaftler auch muss ich Berichte und Journalpapers schreiben – etwas untypisch für einen Postdoc habe ich mich auch schon für kleine Forschungsgelder beworben.
Ich mag die Abwechslung und dass ich bei den Laborexperimenten mitentscheiden darf, was gemacht wird. Außerdem lerne ich, wie alle Messgeräte funktionieren. Und ich habe ein paar Nebenprojekte – die haben aber alle irgendwie mit Geomechanik zu tun.

Wenn wir weiterhin auf Erdöl und Erdgas angewiesen sind, müssen wir wissen, wie wir sicher und am effizientesten an die letzten Reserven kommen – 60% der Reserven sind in Karbonatgesteinen eingeschlossen und die sind sehr kompliziert. Auf der anderen Seite ist es auch wichtig, um zu verstehen, wie sicher es ist, CO2 im Untergrund zu speichern und welche Gesteinsformationen sich dafür am besten eignen. Beide Aspekte (wenn auch gegensätzlich) sind wichtig und meine Forschung kann allen Seiten helfen.

Ich bin seit 2015 Projektleiterin für Native Scientist in Edinburgh für Deutsch – ich koordiniere Events mit Schülern der deutschen Samstagschule und deutsch-sprachigen Wissenschaftlern. Im Mai diesen Jahres hatten wir ein Event mit dem Goethe Institut in Glasgow und schottischen Schülern, die Deutsch lernen.
Seit November 2016 bin ich Mitglied bei Chronically Academic – ein Netzwerk von Akademikern mit Behinderung oder Chronischen Erkrangung. Da bin ich nach meiner MS Diagnose beigetreten – für die Unterstützung, aber auch, um das System zu ändern und anderen Wissenschaftlern in meiner Situation zu helfen und bei der Aufklärungsarbeit zu helfen.
Ich bin auch aktiv, was die Unterstützung von Wissenschaftlern am Anfang ihrer Karriere angeht und habe letzes Jahr ein Postdoc Forum an der Heriot-Watt University gegründet

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Nix spannendes – ich versuche gerade, Portugiesisch zu lernen (da sich das ja anbietet) und ich habe vor 3 Wochen wieder mit Laufen angefangen und trainiere gerade für einen 10km Lauf hier in Recife im August. Ansonsten fahre ich gerne Rad – ich habe ein Rennrad und ein Mountainbike.
Ich stamme aus einer Fußball-Verrückten Familie und alle 2 Jahre zur WM und EM kommt das dann richtig raus…ich habe sogar ein Trikot für meinen Computerstuhl. Meine Mama hat eine Dauerkarte für Bayer Leverkusen und da gehe ich dann machmal mit zu Spielen, wenn ich zu Besuch bin. Und mein Film gegen Heimweh ist Deutschland ein Sommermärchen – aber ich überspringe manchmal das Spiel gegen Italien…

Wie sieht dein idealer freier Tag aus?
Ausschlafen (was bei mir 7 oder 8 Uhr ist) – gemütlich frühstücken und dann mit meinem Freund wandern oder spazieren gehen – wir haben viele Parks in der Nähe. Oder, wenn das Wetter typisch schottisch ist, dann ist auch mal ein Tag auf dem Sofa mit Netflix ganz entspannend. Hier in Brasilien versuche ich am Wochenende, Städte in der Nähe zu besuchen.

Bitte begrüßt Stephanie ganz herzlich bei Real Scientists DE!

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